Zwölfter Sonntag im Jahreskreis

Predigt zum Nachlesen von P. Bruno Niederbacher SJ

Symbol

Die Ruhe im Sturm

An meinem Gebetsort im Zimmer liegt seit Wochen ein Bild aus einem koptisch-arabischen Evangelienbuch. Es zeigt die Szene, die wir gerade gehört haben: einen aufgewühlten See, ein Boot, das von den Wellen hin- und hergeworfen wird, einige Jünger, die an Tauen ziehen, um nicht zu kentern, Jesus, der hinten auf einem Kissen liegt und schläft, den Rest der Jünger um den schlafenden Jesus herum. Einer von ihnen – es ist wohl Petrus – rüttelt ihn: „Meister, kümmert es dich nicht, dass wir zugrunde gehen?" Eine Frage, ein verzweifelter Ruf, ja geradezu ein Vorwurf. Ich kenne dieses Gefühl. Auch wenn Jesus mit an Bord meines Lebensschiffchens ist: Er scheint zu schlafen. Wenn die Dinge gut laufen, lasse ich ihn auch gerne schlafen. Aber wenn es brenzlig wird, wenn Gefahr droht, wenn es mir den Boden unter den Füßen wegzieht, dann drängt sich dieser Gedanke auf: „Kümmert es dich nicht, dass ich zugrunde gehe?" Gott scheint zu schlafen oder blind zu sein wie die Natur. Sie bringt zwar ständig Leben hervor, scheint sich dann aber nicht recht darum zu kümmern. Es ist ihr egal, ob irgendwo im Körper Krebszellen wachsen, ob eine Hungerskatastrophe ausbricht oder ein Tsunami heranrollt... Die Natur kümmert sich nicht und auch Gott scheint sich nicht sonderlich zu kümmern.
Ein schlafender Gott, ein unberührbarer, unberührter, ein vollständig transzendenter Gott? Kümmert es dich nicht?
Während ich das Bild betrachte, höre ich auch die Frage Jesu: „Warum hast du solche Angst?" Ich protestiere: „Na hör mal: Soll ich etwa keine Angst haben, wenn es mir an den Kragen geht? Ich bin ja keiner der Stoiker, die es scheinbar schaffen, sich der Ängste zu entledigen wie falscher Meinungen. Ich weiß zwar: Die meisten Übel werden mit hundertprozentiger Sicherheit irgendwann eintreten: Krankheiten, der Tod der Liebsten und der eigne Tod. Irgendwann kommt es dick. Aber dies zu wissen, macht es auch nicht besser, sondern eher schlechter. Die Angst ist ständiger Begleiter, sogar jetzt, wo es mir noch gut geht." Und ich höre die Frage: „Hast du noch keinen Glauben?" Und ich sage: „Was soll ich tun?"
Wieder kehre ich zum Bild aus dem ägyptischen Evangeliar zurück. Mein Blick bleibt nun beim schlafenden Jesus hängen. Jesus ist der ruhende Pol in dieser stürmischen Szene. Und ich sage: „Jesus, du warst gewiss kein Stoiker. Du warst ein Mensch aus Fleisch und Blut. Du hast Blut geschwitzt und Angst gehabt. Und doch konntest du dich dem Vater überlassen. In ihm hast du geruht. Das war deine Stärke. Das war das Geheimnis deines Lebens." Und je länger ich das Bild betrachte, desto mehr sticht mir ein Aspekt in die Augen. Drei Jünger sind zwar mit dem Schiff beschäftigt, die anderen neun schauen aber auf Jesus. Es ist, als ob der Maler sagen wollte: Wenn es bei dir drunter und drüber geht, dann kümmere dich nicht nur um dein Problem, sondern schau auch auf Jesus. „Schweig, sei still!", sagt Jesus. Das empfinde ich wie eine Aufforderung auch an mich. So schweige ich in Stille und schaue in meinem Gebet auf Jesus. Ich blicke auf ihn, auf diesen ruhigen Pol mitten in den Schwankungen meiner Gefühle. Im Psalm 110 heißt es: „Setze dich mir zur Rechten und ich lege dir deine Feinde als Schemel unter die Füße!" Das ist es: Ich setze mich zu ihm im Gebet, ich blicke auf ihn und nicht zu viel auf meine Feinde, die tosenden Gefahren, die mich umschwirren. Und manchmal, manchmal wird es zumindest für Augenblicke wahr: Es tritt völlige Stille ein. So ziehe ich einige Schlüsse aus meiner Meditation:

Amen.

 

P. Bruno Niederbacher SJ, Jesuitenkolleg Innsbruck


 

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