Von Schafen und Hirten

Predigt zum Nachlesen von P. Robert Deinhammer SJ

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Von Schafen und Hirten
Predigt zum 16. Sonntag im Jahreskreis
Eph 2,13-18; Ps 23; Mk 6,30-34

Die Apostel kommen von ihrer Mission zurück, es war wohl eine ziemlich anstrengende Zeit. Sie wollen sich mit Jesus ausruhen, in der Einsamkeit neue Kräfte sammeln. Man denkt an Ferien, an Urlaub, an Rückzug. Aber die vielen heranströmenden Menschen lassen das nicht zu. Sie suchen Jesus, sie wollen ihn sehen, sie wollen ihn hören. Und Jesus hat Mitleid mit ihnen und lehrt sie lange, denn sie sind wie Schafe die keinen Hirten haben.

Was ist mit solchen Schafen ohne Hirten gemeint? Schafe ohne Hirten haben niemanden, der sie beschützt vor den drohenden Gefahren, vor den reißenden Wölfen. Schafe ohne Hirten haben niemanden, der für sie sorgt und auf gute Weide führt. Schafe ohne Hirten verirren sich und geraten auf Abwege. Verlorene Menschen, Menschen ohne Orientierung, Menschen, die nicht aus einer letzten Geborgenheit leben können. Das Bild der Schafe ohne Hirten beschreibt die Situation des Menschen, der noch nicht zum Glauben gekommen ist, der noch nicht zu Jesus Christus gehört. Und dieses Bild ist natürlich anstößig, gerade für uns heute.

Wer möchte denn schon wie ein Schaf sein, das einen Hirten braucht? Wir wollen selbstbestimmte Menschen sein, die auf niemanden angewiesen sind. Autonomie gehört heute zu den wichtigsten Werten. Und doch ist es mit Autonomie und Selbstbestimmung oft nicht weit her. Haben wir unser Leben wirklich in der Hand? Vieles von dem, was uns bestimmt, haben wir uns nicht ausgesucht: unsere Charakterzüge und Anlagen, unsere Eltern, unsere Erziehung, die Kultur, in die wir hineingeboren werden. Auf vieles, das unser Leben bedroht, haben wir keinen Einfluss, und der Tod hat immer das letzte Wort. Vieles bleibt unklar und rätselhaft, nicht zu durchschauen. In einer solchen Situation der Ungewissheit kann es leicht geschehen, dass man nach einfachen Lösungen ruft. Oder nach dem starken Mann, der die Marschrichtung vorgibt: Autorität und Macht sind verführerisch. Oder man passt sich einfach den Mehrheitsmeinungen und Moden an und heult mit den Wölfen. Wir Menschen haben ein großes Suggestionsbedürfnis, das nur allzu leicht missbraucht werden kann. Sind wir also doch wie Schafe, die einen Hirten brauchen? Wer soll dieser Hirte sein? Welchem Hirten dürfen wir vertrauen?

Nur einem Hirten dürfen wir uns rückhaltlos anvertrauen, nur ein Hirte verdient unser ganzes Vertrauen: Jesus Christus, der gute Hirte. Seiner Stimme sollen wir folgen, auf sein Wort sollen wir hören. Von ihm dürfen wir uns belehren lassen. Er will unser Bestes, er gibt sein Leben für uns hin, er wird uns niemals enttäuschen. Und Jesus ist dabei nicht nur ein moralisches Vorbild, dem wir nacheifern sollen oder ein Weisheitslehrer, der uns Ratschläge für ein gelungenes Leben gibt. Seine Bedeutung ist unendlich größer. Jesus, der menschgewordene Sohn bringt uns die Nähe Gottes, durch ihn haben wir Zugang zum Leben der Dreifaltigkeit, er lässt uns teilhaben an seiner Gemeinschaft mit dem Vater.

In der Lesung aus dem Epheserbrief wird die Bedeutung Jesu so zusammengefasst: Er ist unser Friede. Was ist damit gemeint? Nun, vielleicht könnte man es so sagen: Durch Jesus kommen wir in die richtige Beziehung zu Gott. Wenn wir nur auf die Welt schauen, dann ist ja von Gott nicht viel zu sehen. Wo ist denn dieser Gott? Man könnte den Eindruck bekommen, dass Gott abwesend ist und sich nicht um uns kümmert. Und man könnte den Eindruck bekommen, dass wir Menschen deshalb zu einem gottlosen Leben verurteilt sind. Wir hängen unser Herz an alles Mögliche, nur nicht an Gott; wir fürchten alles Mögliche, nur nicht Gott. Das Verhältnis zwischen Gott und Mensch ist nicht in Ordnung. Und deshalb leben wir im Unfrieden, im Unfrieden mit Gott und so auch im Unfrieden mit uns selbst und untereinander. Und in dieser Situation der Friedlosigkeit heißt es nun: Jesus ist unser Friede.

Durch Jesus, durch seine Botschaft wird endgültig klar, wie Gott zum Menschen steht. Der Gott, ohne den nichts sein kann, der in allem mächtig ist, dieser Gott ist uns mit einer ewigen und unbedingten Liebe zugewandt, ganz gleich ob wir Juden oder Heiden sind, ganz gleich ob wir den Kirchenbeitrag zahlen oder nicht. Im Glauben an das Evangelium erfassen wir, dass wir in die Liebe des Vaters zum Sohn aufgenommen sind, dass wir vom Geist Jesu erfüllt sind. Gott ist ganz anders als wir uns das vielleicht gedacht haben, seine Liebe hat nicht ihr Maß an unseren Vorzügen oder Fehlern, sondern gilt ohne irgendwelche Bedingungen, im Glück und auch im Leid. Jesus, der Sohn Gottes, steht in einer einzigartigen Beziehung zum Vater, und im Glauben bekommen wir Anteil an dieser Beziehung, werden Söhne und Töchter im Sohn. Gott hat sich in Jesus Christus mit den Menschen verbündet, niemals ist Gott mehr ohne den Menschen, und der Mensch ist niemals mehr ohne Gott. „Der Mensch" ... jeder von uns kann da seinen Namen einsetzen. Nicht einmal der Tod kann uns von Gott trennen. Das ist der Friede, den uns Jesus bringt und den er mit seinem Blut besiegelt. Wem das ins Herz eingeht, der kann auch anders leben: freier, mutiger, liebevoller.

Als Glaubende sind wir wie Schafe, das stimmt schon, aber wie Schafe, die einen unendlich guten Hirten haben. Auch in finsterer Schlucht, im Tal der Todesschatten, müssen wir dann kein Unheil mehr fürchten, denn er ist bei uns, er gibt uns Zuversicht. Und in der Nachfolge Jesus können auch wir selber zu guten Hirten und Hirtinnen werden, zu Zeugen und Zeuginnen des Friedens, der von Gott kommt. Wenn wir jetzt Eucharistie feiern, dann erfüllt uns Jesus wieder neu mit seinem göttlichen Leben und gibt uns Kraft dazu. Amen.

 


P. Robert Deinhammer SJ


Foto: Steven Lasry via unsplash.com

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