Jesus - ganz anders als erwartet

Predigt zum Nachlesen von P. Robert Deinhammer SJ

Symbol

Jesus, der Christus – ganz anders als erwartet
Jes 50,5-9A; Mk 8,27-35

Der arme Petrus! Zuerst der Musterschüler, der Sprecher der Apostel, ja sogar der Fels, auf dem die Kirche gebaut werden soll, wie es in der Parallelstelle im Matthäusevangelium heißt. „Für wen haltet ihr mich?" fragt Jesus. Und Petrus bekennt: „Du bist der Christus." Christus ist ein Hoheitstitel. Er bedeutet: der von Gott Gesalbte, der Messias, derjenige, der von Gott kommt und der das Reich Gottes, die Herrschaft Gottes aufrichten wird. So weit, so gut. Aber gleich kurz darauf bekommt Petrus einen Rüffel, der nicht schärfer sein könnte: „Tritt hinter mich du Satan! Denn du hast nicht im Sinn was Gott will, sondern was die Menschen wollen." Was ist da schief gelaufen? Reagiert da Jesus nicht ein bisschen ungerecht? Wie soll man das verstehen?

Vielleicht kann man es so sagen: Petrus möchte einen Messias, einen Christus, nach seinen eigenen Vorstellungen haben. Einen erfolgreichen, starken, anerkannten Christus, nicht einen, der abgelehnt und verfolgt wird, der leiden muss, der am Kreuz einen schändlichen Verbrechertod stirbt. Und das ist ja nur natürlich, da ist Petrus keine Ausnahme, das steckt in uns allen. Aber Jesus durchkreuzt unsere Vorstellungen von Gott und vom Heil, er erfüllt nicht unsere mitgebrachten Erwartungen, er ist ganz anders. Die Gegenwart Gottes in der Welt verbirgt sich in einer schwachen menschlichen Gestalt, im Leid, im Kreuz. Das war für die Juden damals ein empörendes Ärgernis und für die Griechen Torheit. Und heute ist es natürlich auch nicht anders. Dass Jesus der Christus ist, der menschgewordene Sohn Gottes, der uns in seine Gemeinschaft mit dem Vater hineinnimmt, das kann man nur auf sein Wort hin im Glauben erkennen, das kann man nicht an seiner äußerlichen Lebensleistung ablesen, das muss man sich durch seine Botschaft gesagt sein lassen.

Was kann das für unser eigenes Leben bedeuten? Wahrscheinlich kennen Sie dieses Denken: Wenn ich erfolgreich und gesund und glücklich bin, wenn mich die Leute mögen, dann ist Gott auf meiner Seite, dann kann ich seine Nähe spüren, dann kann ich darauf vertrauen, dass Gott mich liebt. Wenn ich aber versage, wenn ich krank und einsam bin und von den lieben Mitmenschen angefeindet werde, wenn Schuld und Verzweiflung über mich hereinbrechen, ja dann, dann ist auch Gott in weiter Ferne, dann scheint es, als habe mich Gott verlassen und vergessen, weil er gegen mich ist. Ein solches Gottesverständnis kann angesichts unserer Todesverfallenheit nur in die Katastrophe führen. Es ist das Gottesverständnis des natürlichen Menschen, das Gottesverständnis des gesetzlich Frommen. Gerhard Ebeling, der deutsche Theologe, hat dazu einmal gesagt: „Der gesetzlich Fromme – er repräsentiert die Frömmigkeit, wie sie dem Menschen gleichsam von Natur liegt, ob er nun engherzig oder lax verfährt; jedenfalls ist er der auch in uns Christen rumorende Heide – dieser gesetzlich Fromme misst Gottes Willen im Weltgeschehen am Maßstab des Wohlbefindens."

Jesus ist gekommen, um uns von dieser Frömmigkeit, von diesem Gottesverständnis zu befreien. Jesus durchkreuzt unsere Erwartungen und schenkt uns an ihrer Stelle das Evangelium. Er sagt uns im Evangelium zu, dass Gottes Liebe unbedingt ist. Gott hat nur eine Liebe, die zu seinem ewigen Sohn; und mit dieser Liebe nimmt er auch uns an. Diese Liebe hat nicht ihr Maß an der Welt; deshalb kann sie nicht mit bloßer Vernunft an der Welt abgelesen werden, man kann sie nur im Glauben erkennen. Aber gerade deshalb gilt diese Liebe auch unter allen Umständen, im Glück und im Leid, wenn wir erfolgreich sind oder Schuld auf uns geladen haben, wenn uns die Leute mögen oder nicht, sie gilt sogar im Sterben und über den Tod hinaus in alle Ewigkeit. Für die Augen des Unglaubens ist der Gekreuzigte von Gott verlassen; für die Augen des Glaubens ist der Gekreuzigte der Auferstandene, der Sohn Gottes, der uns Anteil an seinem göttlichen Leben gibt. Das Kreuz ist für uns Christen kein sadistisches Todeszeichen, sondern ein Zeichen dafür, dass Gottes Liebe stärker ist als der Tod.

Jesus durchkreuzt unsere Vorstellungen und Erwartungen, was er sagt, ist auf den ersten Blick völlig paradox, alle Weltklugheit ist da am Ende. „Wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen und um des Evangeliums willen verliert, wird es retten." Das wahre Leben ist in Jesus Christus zu finden, alle Dinge dieser Welt, so schön und gut und edel sie auch sein mögen, alle diese Dinge haben ein Ablaufdatum. Es nützt nichts, wenn wir uns um jeden Preis daran klammern. Wir können unser Heil nicht aus eigener Kraft produzieren, aber wir dürfen uns in die Arme Gottes fallen lassen, seinem Evangelium vertrauen. Und das führt uns dann nicht weg von der Welt, sondern macht uns erst fähig, wirklich menschlich zu leben, liebevoller, freier, mutiger, so wie Jesus. Das wahre Leben ist ein Leben in der Hingabe an Gott und an die Menschen, auch wenn es schwierig wird, auch wenn man dabei Ablehnung erfährt. Man muss dann nicht mehr Böses mit Bösem vergelten. Kreuzesnachfolge bedeutet genau das.

Aber ist das wirklich lebbar? Wenn ich auf mich selbst schaue, habe ich so meine Bedenken. Da hilft mir der Blick auf Petrus. Auch Petrus hat wohl lange gebraucht, um Jesus wirklich zu verstehen, es war ein Auf und Ab, einmal der Fels, gleich darauf ein Satan. Um sein Leben zu retten, hat er nicht sich, sondern Christus dreimal verleugnet, aus Angst. Aber dann war er auch ein Zeuge des Auferstandenen. Er hat gelernt, aus der Vergebung Gottes zu leben. Er hat sich für den Glauben eingesetzt. In seinem eigenen Martyrium am Kreuz war er Christus vielleicht ähnlicher als je zuvor. Darum geht es wohl: nicht auf sich selbst schauen, sondern auf Jesus Christus. Und trotz allem immer wieder neu anfangen mit dem Vertrauen auf das Evangelium. Amen.

 
P. Robert Deinhammer SJ


News-Bild: Wolfgang Hasselmann via unsplash.com

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