Das Opfer Jesu am Kreuz – Zeugnis der Liebe Gottes für uns
Hebr 9,24-28; Mk 12,38-44
Als Christen glauben wir, dass der Tod Jesu am Kreuz unserem Heil dient. Als Christen glauben wir, dass der Tod Jesu am Kreuz ein Opfer ist, durch das wir erlöst werden, von der Sünde und vom Tod, durch das wir Zugang zu Gott bekommen. Jesus wurde geopfert, um die Sünden vieler hinwegzunehmen, wie wir es gerade im Hebräerbrief gehört haben. Das Priestertum Christi vollendet sich für die Theologie des Hebräerbriefs in seinem Opfertod am Kreuz. Aber wie soll man das verstehen? Die meisten Zeitgenossen können mit dem Opfergedanken nichts mehr anfangen. Braucht Gott überhaupt ein Opfer? Will Gott Blut sehen? Was wäre das für ein Gott? Ein blutrünstiger Rachegott?
In der Tradition war dieses Modell weit verbreitet: Durch die Sünde des Menschen, durch den Sündenfall von Adam und Eva, ist Gott in seiner Ehre beleidigt worden. Weil gegen den unendlichen Gott gerichtet, ist die gegen ihn gerichtete Beleidigung natürlich ebenfalls unendlich. Sie könnte nur so gut gemacht werden, wenn von Menschenseite ein Opfer von unendlichem Wert dargebracht wird. Aber dazu sind die endlichen Menschen von sich aus nicht fähig. Andererseits kann Gott aus Gerechtigkeitsgründen auf eine Sühne nicht verzichten. Deshalb ist der Sohn Gottes selbst Mensch geworden, um dem Vater ein solches unendliches Opfer darzubringen. Allein durch dieses Opfer wird Gott in seinem gerechten Zorn wieder mit uns versöhnt.
Wenn diese Auffassung zuträfe, hätte Jesus sich genauso gut von einem Felsen herabstürzen können. Ging es nur darum, auf irgendeine Weise zu sterben? Besteht darin das Opfer Jesu? Nein, ich denke wir können es glücklicherweise anders verstehen. Durch das Christentum kommt es zu einer Revolution des religiösen Opferbegriffs, die Richtung des Opfers wird sozusagen umgedreht: Gott selbst schenkt sich aus Liebe den Menschen, gibt sich für sie hin. Nicht ein zorniger Gott muss umgestimmt werden, sondern wir sollen von einem falschen Gottesverständnis erlöst werden.
Jesus ist gekommen, um uns die Liebe des Vaters zu offenbaren, um uns zu zeigen, wie Gott in Wahrheit ist. Ohne Jesus wüssten wir nicht, wie wir mit Gott dran sind, wie Gott zu uns steht. Ohne Jesus würden wir im Dunklen tappen, ohne Jesus wären unseren eigenen religiösen Vorstellungen und Mutmaßungen ausgeliefert. Von der Welt her erfahren wir im Grunde immer nur die Abwesenheit Gottes. Aber seit Jesus können wir sicher sein: Gott steht bedingungslos auf unserer Seite, wir müssen nichts tun, um seine Liebe zu erringen, sondern können von ihr als dem einzig Verlässlichen ausgehen. Gott ist jedem Menschen mit der Liebe zugewandt, die von Ewigkeit her zwischen Vater und Sohn besteht. Vor Gott gibt es keine Unterschiede, niemand ist da besser oder schlechter dran. Gott liebt alle so wie seinen eigenen Sohn, eben in göttlicher Weise. Das ist die Botschaft Jesu, das Evangelium. Und eine solche Botschaft ist natürlich eine gewaltige Provokation, gerade für die Religionsprofis, für die Schriftgelehrten und die Pharisäer, die von sich meinen, dass sie bei Gott besonders gute Karten haben.
Diese Botschaft hat Jesus auch ans Kreuz gebracht. Jesus wurde verfolgt und ermordet, weil er Anhänger für seine befreiende Botschaft gefunden hat. Denn wer an Jesus und seine Botschaft glaubte, der lebte nicht mehr aus der Angst um sich selbst und war damit auch nicht mehr erpressbar. Jesus war gefährlich, er stellte eine Bedrohung für die religiös begründete Herrschaftsordnung dar und musste deshalb beseitigt werden. Sein Selbstverständnis und sein Anspruch auf Glauben waren skandalös, ja „gotteslästerlich". Aber Jesus blieb seiner Sendung auch angesichts der Todesdrohung treu, er hat sich auf seine Botschaft sozusagen festnageln lassen. Er ist nicht am Kreuz gestorben, weil Gott aus „Gerechtigkeitsgründen" ein unschuldiges Opfer brauchte, nein, sondern um Gottes unendliche Liebe bis zum Äußersten zu bezeugen. Der Kreuzestod Jesus ist ein Zeugnis – ein Martyrium – zu unseren Gunsten, es ermöglicht uns den Glauben, das Vertrauen auf Gott, eine ganz neue Gottesbeziehung. Deshalb können wir sagen, dass wir durch das Kreuz Jesu erlöst sind. Der Sohn Gottes gibt sein Leben für uns hin, für dich und für mich, damit wir als Kinder Gottes leben können, bereits jetzt und in alle Ewigkeit.
Im Markusevangelium wird der Konflikt Jesu mit den Religionsprofis schon angedeutet. Jesus kritisiert die Scheinfrömmigkeit, die Scheinheiligkeit der Schriftgelehrten. Sie verrichten zwar äußerliche Werke, aber ihre Absichten bleiben böse. Die wahre Frömmigkeit zeigt sich für Jesus in einer Haltung der Hingabe, wie er sie auch bei der armen Witwe findet. Auf sie trifft die Seligpreisung zu: „Selig, die arm sind vor Gott, denn ihnen gehört das Himmelreich." Vor Gott arm sein, das bedeutet mit leeren Händen vor Gott zu stehen und zu wissen, dass man Gottes Liebe nur als unverdientes Geschenk annehmen kann. Vor Gott arm sein bedeutet, ganz auf die Gnade Gottes angewiesen zu sein und sich darüber zu freuen und aus dieser Freude heraus in einer Haltung der Hingabe zu leben. Es ist die Haltung der Kreuzesnachfolge, eine Haltung, in der wir an der Hingabe Jesu für andere Menschen teilhaben. Beten wir also darum, dass wir arm sein können vor Gott!
P. Robert Deinhammer SJ
Foto: Aaron Burden via unsplash.com
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