25. Dezember, Hochfest der Geburt unseres Herrn (Joh 1,1-18)
Liebe Schwestern, liebe Brüder,
es gibt kein Lied, das mich so beschwingt in Weihnachtsstimmung versetzt als „Driving home for Christmas" von Chris Rea: „Ich fahr' heim über Weihnachten, ich kann's kaum erwarten, all die Gesichter wiederzusehen ..." (kurz einspielen). Wenn Sie mögen, streamen Sie es zuhause und hören es sich ganz an. Mich versetzt dieses Lied wirklich in eine freudige, heitere Weihnachtsstimmung. Weihnachten ist Familienzeit, wahrscheinlich ist es die Zeit mit dem höchsten Heimwehquotienten im Jahr: Weihnachten und nicht heimfahren, wegen der Pandemie oder sonst einem Grund, das ist nicht schön, das fühlt sich nicht gut an, das geht nicht wirklich!
Weihnachten, das ist wie eine Schwerkraft eigener Art, es zieht uns zum Ursprung, zu unseren Ursprüngen. Das Weihnachtsevangelium, eine Ursprungsgeschichte, der Ursprung Jesu Christi, sein Hintergrund, seine Herkunft wird uns in feierlicher, theologischer Sprache vergewissert. Und so feierlich erhaben die Sprache auch sein mag, wir erfahren etwas sehr Liebevolles über den Hintergrund Jesu Christi. Im letzten Satz hieß es: Niemand hat Gott je gesehen. Der Einzige, der Gott ist und am Herzen des Vaters ruht, er hat Kunde gebracht.
Der Himmel, der Ursprung, die Heimat Christi ist herzliche Verbundenheit, stilles Einvernehmen, spürbare Geborgenheit, Qualitäten, die man sich von einem echten Zuhause wünscht. Und der Wunsch, das Anliegen Jesu, sein ganzes Wollen und Tun? Uns dorthin mitzunehmen, uns Einblick in sein Zuhause, seine Herkunft zu geben. Vielleicht ist es so einfach sagbar, vielleicht ist Jesu Lebenswerk so einfach zusammenfassbar: Er will, dass auch wir bei Gott zuhause sind!
Als Jesuit war ich bei Auslandsaufenthalten verblüfft und bewegt zugleich, wie herzlich und einladend manche Nationen sind. In den USA oder in Spanien z.B., war ich gefühlt kaum angekommen und schon in die Herkunftsfamilien von Mitbrüdern eingeladen: „Ich fahre nächstes Wochenende heim, komme doch mit, ich zeig Dir, wo ich her bin, meine Familie freut sich!" - Jesus Christus, nach dem Johannesprolog einer, der um seine Herkunft weiß, eine Heimat hat und uns den Weg dorthin zeigen möchte. Bei Gott zuhause sein oder im Geheimnis Gottes geborgen sein. Ein Wortspiel, im Deutschen steckt in Ge-heim-nis, das Wort „Heim" schon drin.
Es sind die Mystiker/innen, denen wir das zuschreiben, bei Gott daheim zu sein, in Gott zu ruhen, seinen Herzschlag so zu vernehmen, dass er immer wieder auf sie überspringt. Vielleicht denken Sie jetzt: Mystiker, Christen/innen besonderer Art, schön, dass es sie gibt! Aber in einer Flughöhe zu Gott unterwegs, die wir gewöhnliche Menschen nicht, niemals erreichen! Die Mystiker selbst sind nicht um eine Abgrenzung zu uns bemüht, sie sehen sich nicht als unerreichbare Elitechristen. Sondern sie sind davon überzeugt, dass das, was sie erlebten, eigentlich für alle gilt, nur dass die anderen es noch nicht erkannt haben.
Weihnachten, erkennen dürfen, das Gott uns Heimat, Zuhause sein will, dass er sich freut, wenn wir bei ihm Zeit verbringen, wenn wir einfach nur bei ihm sind und zwar so wie wir sind, ihm nichts vormachen. Ja, und uns auch helfen lassen! Denn auch das ist ein Merkmal eines guten Zuhauses: Es wird mir geholfen, wenn ich Hilfe brauche.
Es dürfte der am häufigsten zitierte Satz von Karl Rahner sein:
„Der Fromme von morgen wird ein ,Mystiker' sein, einer, der etwas ,erfahren' hat, oder er wird nicht mehr sein, weil die Frömmigkeit von morgen nicht mehr durch die ... selbstverständliche öffentliche Überzeugung und religiöse Sitte aller mitgetragen wird." (SzTh 7, S.11-31, hier 22f. [SW23, S.31-46, hier 39f])
Gott als Zuhause erfahren oder zumindest dem Wunsch Gottes Glauben schenken, dass er uns Heimat sein will, das ist für mich der Beginn von Mystik. Mystiker haben für ihre Seele eine schützende, eine bergende Heimat gefunden. Seelische Obdachlosigkeit, zuinnerst nicht wissen wohin, diese Erfahrung will uns Jesus ersparen. Er nimmt uns hinein in seine Erfahrungen mit Gott und spricht von ihm ungeniert, egal was andere denken mögen, als seinem Abba, als seinem Papa, familiär, liebevoll, zärtlich.
Weihnachten, Familienzeit, wir wollen heim, es zieht uns heim. Und ein bisschen gilt es auch die andere Seite zu bedenken. Denn wie groß wäre die Enttäuschung in einem liebevollen Zuhause, wenn niemand käme, sehnsüchtig und freudig erwartet zu werden, aber der Platz leer bliebe? Trauen Sie sich Mystiker/innen werden zu wollen. Es ist nichts Abgehobenes, es ist eine Erfahrung, es ist die Erfahrung, für seine Seele ein Dach zu haben, zuinnerst ein zuhause zu haben, das offen steht, wo Sie erwartet werden und wo man sich auf Sie freut.
Weihnachten, Familienzeit, vom Ursprung angezogen sein, heimkommen zu Gott. Wir sind ja schon in dem Morgen, von dem Karl Rahner sprach. Sie müssen schon eine Erfahrung mit Gott gemacht haben, sonst wären Sie nicht hier oder: Da gibt es eine mystische Ader in Ihnen, trauen Sie ihr über den Weg, denn sie führt Sie heim. - Amen.
P. Bernhard Heindl SJ
Bild: Bernhard Heindl SJ
ImpressumSitemapDatenschutzPräventionKontaktLogin
Impressum
Sitemap
Datenschutz
Prävention
Kontakt
Login
Jesuitenkirche Innsbruck