13. Februar, 6. Sonntag im Jahreskreis (Lk 6,17.20-26)
Liebe Schwestern, liebe Brüder!
Die Seligpreisungen, wir haben diesen zu Herzen gehenden Text meist mehr in der Version nach Matthäus im Ohr:
Selig, die arm sind vor Gott; / denn ihnen gehört das Himmelreich.
Selig die Trauernden; / denn sie werden getröstet werden.
Selig die Sanftmütigen; / denn sie werden das Land erben.
Selig, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit; denn sie werden gesättigt werden.
Selig die Barmherzigen; / denn sie werden Erbarmen finden.
Selig, die rein sind im Herzen; / denn sie werden Gott schauen.
Selig, die Frieden stiften; / denn sie werden Kinder Gottes genannt werden.
Selig, die verfolgt werden um der Gerechtigkeit willen; / denn ihnen gehört das Himmelreich. (Mt 5,3-10)
Ein nahezu poetischer Text, er wirkt der Zeit enthoben, fast entrückt, wie schon aus der Perspektive der Ewigkeit, des Himmelreiches geschrieben.
Anders Lukas, er kürzt drastisch, aus 9 werden 4 Seligpreisungen. Er bleibt nicht allgemein, er spricht direkt an, nicht: Selig, die ..., sondern: Selig, ihr ..., und er aktualisiert: Selig, die ihr jetzt hungert, jetzt weint ...
Und - nicht zu vergessen! - Lukas kontrastiert scharf, er spricht Seligpreisungen aus... und mahnt fast im selben Atemzug ab, indem er unmittelbar auf die Seligpreisungen Weherufe folgen lässt und zwar ebenso direkt und aktualisiert: Wehe euch, die ihr jetzt reich seid, ... die ihr jetzt satt seid, ... die ihr jetzt lacht. Lukas ist für mich weniger ein Trosttext aus einer entrückten Perspektive, sondern mehr ein Handlungsaufruf. Ich höre bei Lukas über dieses Jetzt den Appell: Los jetzt, gebt euch nicht zufrieden, macht was! Ändert was, ... jetzt!
Vielleicht mischt sich hier eine Anekdote über den hl. Ignatius in meine Interpretation. Ignatius soll seinem Sekretär und anderen, denen er einen Arbeitsauftrag gab, auf die Erwiderung: Das mache ich morgen, geantwortet haben: So(oo) lange gedenken Sie zu leben!?
Die Seligpreisungen, ob nach Matthäus oder Lukas, sie taugen nicht für Vertröstungen auf morgen oder das Jenseits, aber bei Lukas kommt es deutlicher bei mir an: ... jetzt ist zu tun, was jetzt getan werden kann, wenn man nicht von einem Weheruf getroffen sein will!
Die Weherufe, eine biblische Gattung mit der wir uns, so meine Wahrnehmung, schwer tun, weil Gott in unserer Zeit ein sehr gleichmütiges, friedfertiges, gelassenes Gegenüber geworden ist. Gott macht in aller Regel keine Probleme, mit ihm ist ein gutes, harmonisches Auskommen gegeben, die Kirche, seine Niederlassung hier auf Erden ist schwierig, kompliziert, ja ärgerlich! Aber Gott, der biblische Gott ist nicht neutral, gleichmütig, er ist leidenschaftlich und ergreift Partei! Er ergreift Partei für die Armen, Verachteten, von weltlicher Gerechtigkeit Übersehenen, Ausgegrenzten ...
Das lukanische Jetzt, es provoziert mich, mein, das kollektiv wahrgenommene Gottesbild zu hinterfragen, zu aktualisieren. Von Papst Johannes XXIII. ist das Wort Aggiornamento, die Aktualisierung des Glaubens, vor der Eröffnung des 2. Vatikanischen Konzils in den kirchlichen Wortschatz als Anliegen eingeführt worden. Aus Italien stammt ein neues Wort, ich habe es von italienischen Freunden, ein Wort, das mich schmunzeln lässt und zugleich nachdenklich macht. Wir seien mit Blick auf Gott in eine Nirvanisazione geraten. Nirvana, apathischer Ruhezustand, Gott werde immer vager, nebuloser, unschärfer, er hat keine Konturen mehr, an denen man sich stoßen könnte, er gehe auf im Nichts. Wenn's stimmt, wäre es ein fatales Missverständnis, denn wie gesagt, der biblische Gott ist leidenschaftlich, entschieden, hat Konturen, sagt klar, wo er steht und zu finden ist und wo nicht!
Die Weherufe, die Zuhörer Jesu kannten die Formulierung: Wehe euch! Sie war ihnen von den Propheten Israels im Ohr. Die Propheten konnten eine mahnende Rede mit Wehe euch, beginnen und sie spielten an die Totenklage an, wo mit Weh- u. Ach-Rufen der Verlust eines Menschen beklagte wird. Wer vom Wehe-Ruf eines Propheten getroffen war, war gleichsam für tot erklärt. Der hatte durch irgendein Fehlverhalten das Leben verspielt.
Lukas mahnt die material Reichen, die Satten ab, die sich zurücklehnen und lachen, ins Fäustchen lachen, weil sie für ihren Teil ausgesorgt haben. Allgemeiner: Lukas mahnt die ab, die sich nur um ihre Angelegenheiten kümmern, währende die Welt um sie herum im argen liegt, in Armut, in Ungerechtigkeit versinkt! Man muss nicht superreich sein, um selbstvergessen in den eigenen Angelegenheiten ganz aufzugehen.
Es ist mir wirklich ein Unbehagen, das ich nur als Klammerbemerkung kurz ansprechen möchte: Aber wir, die katholische Kirche, bei allem Reformstau, bei allem Versagen, dass uns beutelt, wir müssen aufpassen, dass wir nicht zu selbstvergessen unsere Dinge ordnen, neu strukturieren, reformieren, während die Welt um uns herum Gott je mehr vergisst Das wäre eine fatale Auftragsverfehlung von Kirche, wenn sich Kirche im „Hausputz" verliert!
Liebe Schwestern, liebe Brüder! Die Seligpreisungen, eine tröstliche Vergewisserung,
- dass der Himmel Lösungen haben wird, wo uns auf Erden keine Lösung gelang.
- dass vor Gott nichts dem Vergessen anheimfällt, wo wir uns entschuldigt haben.
Aber sie bleiben für mich genauso Handlungsanweisung, Appell! Für mich richtet Lukas neben tröstlichen Worten den Appell an uns und alle: Kreist nicht nur um euch selbst, macht was, jetzt! - Amen.
P. Bernhard Heindl SJ
Bild: Bernhard Heindl SJ
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