Was hat für mich Überzeugungskraft?

Predigt zum Nachlesen von P. Bernhard Heindl SJ

Symbol

Liebe Schwestern und Brüder!

"Wenn sie auf Mose und die Propheten nicht hören, werden sie sich auch nicht überzeugen lassen, wenn einer von den Toten aufersteht." Der letzte Satz des heutigen Evangeliums, Abraham spricht ihn vom Himmel her zum reichen Prasser, der in der Unterwelt darbt und sich für seine, wohl auch ignorant im Luxus schwelgenden Brüder, eine Botschaft, eine Warnung, eine Mahnung aus dem Jenseits wünscht.

Ein sonderbares Bild drängt sich mir auf, das ich nur aus Filmen kenne: eine Arte „spiritistische Sitzung", Menschen sitzen erwartungsvoll um einen Tisch, halten sich an den Händen und lauschen konzentriert auf Botschaften aus dem Jenseits. Ich stimme mit Abraham überein: mysteriöse Botschaften, Mahnungen, Drohungen aus dem Jenseits, ich traue ihnen wenig Überzeugungskraft zu! Ohne länger darauf eingehen zu wollen, ganz fernab ist die Idee nicht. Es gibt eine Art „katholischen Spiritismus", nachgereichte Offenbarungen zum originalen Offenbarungsgeschehen in Jesus Christus, fromme Botschaften, Mahnungen aus dem Jenseits. Auch wenn Maria als Mahnerin gebraucht wird, um Umkehr zu bewirken, habe ich meine Mühe damit, weil es nicht selten in Angstmacherei kippt. Ich finde jedenfalls derartige Botschaften aus dem Jenseits nicht hilfreich für mein Glaubensleben.

Aber was überzeugt mich? Was hat für mich die nachhaltigste Überzeugungskraft? Es ist schlicht das gute Beispiel. Wenn mir jemand ein gutes Beispiel gegeben hat, dann erinnere ich mich Jahre später noch daran und greife darauf zurück, wenn ich unschlüssig bin, was ich in dieser oder jenen Situation tun, wie ich mich verhalten soll? Ein gutes Beispiel inspiriert, ermutigt mich, mich und mein Handeln, dem guten Beispiel anzugleichen. Und daher reicht mir die Originaloffenbarung. Das Lebensbeispiel Jesu ist für mich Orientierung, Ermutigung, Inspiration und Korrketuranstoß, alles in einem.

Die Moral hinter der Geschichte vom armen Lazarus und dem reichen Prasser ist für mich: Gott wünscht, dass wir solidarisch miteinander umgehen, dass wir teilen und uns fürsorglich im Blick behalten, füreinander da sind. All das finde ich im Leben Jesu verwirklicht. Gott hat es in Jesus Christus klar und in der uns verständlichsten Sprache, nämlich auf „Menschlich", in dem er selbst Mensch wurde, gesagt.

Natürlich, das religiöse Konzept von der ausgleichenden Gerechtigkeit ist auch in der gehörten Geschichte vom armen Lazarus und dem reichen Prasser mit ausgedrückt. Ausgleichende Gerechtigkeit, ich fürchte sie nicht als Vertröstung, solange die erstgenannte Moral beachtet wird: Kümmert euch umeinander, habt euch im Blick, seid fürsorglich und nicht egoistisch und ignorant! Aber weil diese Moral nicht alle Ohren und Herzen erreicht, hoffe ich fest auf die Zusage Gottes, dass er am Ende gerechte Verhältnisse herstellen wird! Wer, wenn nicht er, könnte den unzähligen Opfern der Menschheitsgeschichte die vorenthaltene Gerechtigkeit und Würde zukommen lassen?!

Was überzeugt mich? Das gute Beispiel. Jesus Christus ist für mich der "evolutive Zielpunkt" für Menschsein, den ich noch lange nicht eingeholt habe, aber wohin ich mich entwickeln möchte, weiß ich! Es ist ein österreichischer Wissenschaftler, Martin Nowak, der in Havard lehrt, der in der Evolutionstheorie einen lange unterbelichteten Punkt neu ins Rampenlicht rückt: Mutation und Selektion, meist im Slogan „Survival of the Fittest" zusammengefasst, sind nicht alle Komponenten der Evolution. Nowak bringt die Fähigkeit zur Kooperation der Lebewesen neu ins Bewusstsein, er erklärt kooperative Intelligenz sogar zur Chefarchitektin der Evolution! Lebewesen besitzen die Fähigkeit zum Wohl anderer zu agieren, auch wenn sie keinen unmittelbaren Vorteil davon haben.

Er belegt das nicht nur aus dem Reich der Bakterien und Algen, das wäre mir zu wenig, sondern auch aus unserem Alltagsverhalten: Ohne Menschen, die Gutes tun, die den eigenen Vorteil gering achten, das Wohl der Anderen über das eigene stellen, wäre die Menschheit nicht da, wo sie ist, wären wir längst alle zu Wölfen mutiert! Es gibt viel Selbstlosigkeit im Leben, ohne die Leben nicht möglich wäre. Nowak meint, es wird entscheidend sein für die Krisen, die zu bewältigen sind, ob wir die Evolutionsfähigkeit der kooperativen Intelligenz anerkennen und nutzen oder das Leben verzerrend und verkürzt auf Mutation und Selektion hin festlegen.

Entwicklungslinie Menschlichkeit. Als Christen haben wir ein, haben wir das Beispiel für kooperative Intelligenz: Jesus Christus!
Er ist die Entwicklungslinie, die evolutive Richtung, die uns der Himmel für Menschsein völlig, ganz und gar selbstlos vorgibt.
Was hat Gott davon Mensch zu werden?
Nichts, ... er tut es rein um unserer Willen. - Amen.

 


Bild: P. Bernhard Heindl SJ

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