Liebe Schwestern und Brüder!
Jesus in einem Homiletikseminar, in einer Predigtausbildung des 21. Jh., was würde er vermutlich zu hören bekommen, wenn er den eben gehörten Evangeliumsabschnitt als Predigt dort einreichte? "Also, ... bei aller Liebe, aber das geht gar nicht! Nein, ... nein, das müssen Sie noch einmal überarbeiten! Was haben Sie sich denn dabei gedacht, ... wem Bitteschön soll das denn helfen?! Das motiviert nicht, das überfordert, das kann keiner leben! Und in ihren Bildern sind Sie unerträglich drastisch: Hand abhauen, Auge ausreisen ... Das Stilmittel der Übertreibung haben Sie wahrlich überstrapaziert! Und zu alle dem haben Sie in knapper Abfolge auch noch 3 x das Unwort gebraucht: Hölle, Hölle, Hölle! Ein billiger Trick, um Aufmerksamkeit zu erreichen, aber es geht um die ... Liebe Gottes! Die sollen Sie ins Wort setzen, dafür sollen Sie Worte finden!"
Also da hätte der Predigtlehrer zunächst einmal recht: Man muss nur 1 x das Wort Hölle oder noch besser Teufel fallen lassen und alle stellen die Ohren auf! Jesu Ton ist sehr markant! Wollte ich ihm im fiktiven Predigerseminar zur Seite springen, ihn verteidigen, um die Gegenposition einzunehmen, dann würde ich sagen: "Gut ..., zugegeben, ist mal ne andere Tonlage, vielleicht nicht die Glücklichste, ... aber das müssen wir doch auch zugeben, ... mit unserem Grundton, mit unserer Dauerschleife Liebe, da laufen wir doch unterdessen Gefahr, die Leute auf stand-by-modus zu predigen! Dass Theologen von der Liebe reden, das winken doch alle unterdessen als Berufskrankheit durch. Da hört doch keiner mehr hin!"
Schlagabtausch in einem fiktiven Predigerseminar. Zum Evangeliumstext von heute: Ich brauche Kontext, ich muss den Text einordnen. Der Text stammt aus der Bergpredigt, wie ich immer sage, der Magna Carta des Christentum, eine Art Grundsatztext, eine Art christliche Verfassung, ein Text jedenfalls, der weit über das Christentum hinaus beachtet wird. Ein Sehnsuchtstext für alle, die sagen: Leben, das kann doch nicht nur Raffen ... und immer den eigenen Vorteil suchen sein! Leben, das kann sich doch nicht im Recht des Stärkeren erschöpfen! Die Bergpredigt in Gänze: Für mich eine Ermutigung für alle, die achtsam, wertschätzend, ... ja liebevoll durchs Leben gehen wollen. Die Seligpreisungen z.B., Trostworte für alle, denen gesagt wird: Man muss ja nicht ganz bei Trost sein, für Sanftmut und Barmherzigkeit, ... ja, um der Gerechtigkeit willen selbst Verfolgung hinzunehmen! Doch, man kann bei Trost sein und das zu leben versuchen!
Aber: Jesus belässt es nicht bei Trost allein, das wäre betulich! Auf die Seligpreisungen folgt der Zuspruch, den wir letzten Sonntag gehört haben: Ihr seid das Salz der Erde, ... ihr seid das Licht der Welt! Ein atemberaubender Zuspruch oder besser ein großes Zutrauen Jesu in die Seinen und eine Art Vorzeichen für die ganze Rede, in der Jesus den Seinen im Subtext vermittelt:
Ihr schafft das! Im Glauben an Gott schafft ihr eine andere Welt in euch und vielleicht sogar um euch! Wenn jede/r dort wo er/sie lebt nach Kräften daran glaubt, dann kann das Ganze Kraft gewinnen! Ihr schafft das, ich traue es euch zu!
Jesus bei der Bergpredigt, wenn ich ihn mir als Redner ausmale, dann sehe ich ihn, trotz aller markanten Worte, nicht mit erhobenen Zeigefinger vor mir, sondern als einen engagierten, begeisterten Redner, der seinen Zuhören mitnehmen will: Ihr schafft das! Mit Glauben an Gott, habt Ihr ... Veränderungspotential in Euch! Denn: Es geht um Veränderungsbereitschaft bei der ganzen Bergpredigt. Den Text von heute frei wiedergeben, sagt Jesus den Seinen: Redet Euch nicht fest in Halbherzigkeiten! Es steckt mehr an Möglichkeiten in Euch, als ihr euch selber zutraut, erschreckt nicht vor eurem Licht! Gott glaubt an Euch, hofft auf Euch!
Die Bergpredigt, das ist Trost und Ermutigung zur Veränderungsbereitschaft zugleich. Veränderungsbereitschaft oder: Gott, Gottsuche, ... das darf auch etwas kosten! Was quälen wir uns ab mit Diäten, wie reißen wir uns am Riemen, wenn wir sonst irgendeinen Fortschritt, einen Erfolg erzielen wollen, in Hobby, Arbeit und Beruf, ... aber Gott, das wäre schon schön, wenn er uns einfach so in den Schoß fiele!
Die Bergpredigt, das ist Mut, Ermutigung, eine Vision vor Augen: Es geht auch anders, Zusammenleben kann auch anderen Regeln folgen als dem Recht des Stärkeren! Und der Ermöglichungsgrund für diese Vision? - Und damit komme ich doch wieder zu der theologischen Berufskrankheit Liebe! An Liebe erkrankt, warum nicht! Denn Liebe verändert, ... aus Liebe sind Menschen zu den unglaublichsten Dingen im Stande. Liebe ist die stärkste, die stabilste Veränderunsgrundlage, die tragfähigste Motivationsgrundlage, die ich kenne! Aus Liebe üben wir Verzicht, Liebe spornt unsere Phantasie an, sie verleiht uns Flügel und schenkt uns Mut. Mut, der uns im Rückblick mitunter staunen lässt: Was, so mutig war ich? Das geht schon bei der Liebeserklärungen an und zieht sich dann durch ein liebevolles Beziehungsleben: Nicht für mich, mache, tue ich das, traue ich mich das, sondern ... für meine Lieben tue ich das, verhalte ich mich so und nicht anders!
Die Bergpredigt ist Ermutigung und Zutrauen für alle, die Gott lieben. Aber an die Bergpredigt würde ich nur gehen, wenn ich an die Liebe Gottes glaube, sie bestmöglich erfahren habe. Ohne Motivationsgrundlage Liebe wird die Bergpredigt zum moralischen Leistungssport, der zu Selbstverletzungen führen muss! Ohne Gottesliebe verhebt man sich an diesem Text! Ohne Gottesliebe im Herzen, besser Finger weg von diesem Text!
Ich höre die Worte Jesu aus dem heutigen Evangelium und denke mir: Ja, Gott ist keine Wellnessveranstaltung, ... er traut uns etwas zu! Gott traut uns Großes zu! An Gott glauben. Es geht um Veränderungsbereitschaft aus Liebe oder anders gesagt: Um Wachstum aus Liebe! Es gibt unzählig viele Beispiele, wo Menschen im Zwischenmenschlichen aus Liebe über sich hinausgewachsen sind. Warum sollte das nicht auch ... aus Liebe zu Gott möglich sein? - Amen.
P. Bernhard Heindl SJ
Bild: Dylan Gillis via unsplash.com
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