Feindesliebe - Menschenfreunde

Predigt zum Nachlesen von P. Bernhard Heindl SJ, 19. Feber 2023

Symbol

Liebe Schwestern und Brüder!

Wie siehst Du denn aus? Du bist ja ganz blaß ... oder: ... ganz rot! Es kann einem ein Unwohlsein, ein Schrecken, eine Anstrengung ins Gesicht geschrieben sein. Eine Momentaufnahme des augenblicklichen Befindens. Aber es heißt auch: Der Charakter schreibt sich über die Zeit hin in das Angesicht eines Menschen ein und ... die Augen eines Menschen, seien der Spiegel seiner Seele. Momentaufnahmen, Schnappschüsse von uns und Porträts, über den Augenblick hinaus visuelle, aussagekräftige Persönlichkeitsbeschreibungen. Es würde mich wirklich interessieren, wie Jesus ausgesehen hat? Hat man es ihm angesehen, dass er ein Menschenfreund war?

Es war erst letzte Woche in Wien, im Kardinal-König-Haus, ich gehe durch die Gänge des Tagungshauses und es trifft mich der Blick eines Menschen, eine Fotographie von Franz Jägerstätter. Auf einem Fotoaufsteller das wohl bekannteste Bild von ihm: Ein Halbporträt, schwarz-weiß, Franz Jägerstätter mit Anzug und Krawatte, schaut in die Ferne über das Bild hinaus, sein Blick, offen, freundlich, gutmütig. Sein Blick trifft mich und ich denke: Wie konnte man einem so liebenswürdigen, arglosen Menschen Gewalt antun?

Ich denke: So sieht ein Menschenfreund aus! Franz Jägerstätter, der während der Nazi-Diktatur den Kriegsdienst und den Fahneneid auf Hitler verweigerte. Im Gefängnis schreibt er an seine Frau Franziska: „Feindesliebe ist nicht charakterlose Schwäche, sondern heldische Seelenkraft und Nachahmung des göttlichen Vorbilds." - „Nach seinem Bild" ... schuf er uns, Gott. Ein gemeinhin bekannter Satz der Bibel. Feindesliebe, sie gibt einen Blick auf Gott frei. Jesus begründet sie: „... damit ihr Kinder eures Vaters im Himmel werdet; denn er lässt seine Sonne aufgehen über Bösen und Guten und er lässt regnen über Gerechte und Ungerechte."

Es sind Menschen wie Franz Jägerstätter, die meine innere Empörung zum Schweigen bringen, wenn ich das heutige Evangelium höre, wenn ich über Feindesliebe nachdenke. Immer wieder renne ich gegen dieses Evangelium innerlich an, begehre auf, erwidere Jesus empört, aufgebracht, hilflos: Das geht so nicht! Wie stellst Du Dir das vor, auf eine Welt geblickt?! - Doch, es geht! Nicht, ... immer noch nicht flächendeckend! Aber eine Fotographie, der Blick eines Menschen, eines Menschenfreundes hält still und unbeirrbar meiner Aufregung, meiner Empörung Stand. Ein entwaffnender Blick, ein ehrlicher, offener, argloser Blick, sagt mir: Es geht! Auch wenn es für Dich noch nicht geht!

Feindesliebe. Mit Blick auf die belastete jüdisch-christliche Geschichte ist es mir ein Bedürfnis, zwei Dinge im heutigen Evangelium leicht zu korrigieren. Es stimmt nicht, dass das Alte Testament, gleichsam als Gebot sagt: „Du sollst deinen Feind hassen!", wie wir es gehört haben. Die Belegstelle aus dem Buch Deuteronomium, die im Neuen Testament angefügt ist, formuliert zurückhaltender: „Du sollst dich nie und nimmer um einen Friedens- und Freundschaftsvertrag mit ihnen bemühen." (Dtn 23,7) Es ist auf die Ammoriter und Moabiter hin formuliert, die sich beim Auszug aus Ägypten, als Israel durch ihr Land zog, als abweisend und feindselig erwiesen haben.

Du warst mir Feind, ich bin dir Feind. Wie du mir, so ich dir! „Auge um Auge, Zahn um Zahn." Ausgleichende Gerechtigkeit, wir sind quitt! Auge um Auge, Zahn um Zahn ist zunächst ... ein Fortschritt in der Rechtssprechung. Mit Maß ist Vergeltung auszuüben! Jähzorn und überschäumende Rache sollen eingegrenzt werden! Blutrache überbietet in aller Regel das erfahrene Unrecht, um abzuschrecken: Du tötest einen von uns, ... wir so viele von dir, dass du dir es gut überlegst, ob du nochmals gegen uns vorgehst! Die Spirale der Gewalt beginnt.

Jesus durchbricht diese Spirale mit Gewaltlosigkeit, mit Arglosigkeit, mit Friedfertigkeit. Feindesliebe, es stimmt auch nicht, wie man immer wieder hört, dass sie im Alten Testament unbekannt ist. König Saul ist David, dem neuen, jungen Königsanwärter, alles andere als freundlich gesonnen. Saul verfolgt David, um ihn zu töten. Doch es ist David, der als erster die Gelegenheit hat, seinem Rivalen den Garaus zu machen. Saul bemerkt es nicht einmal, als er David wehrlos ausgeliefert ist. Doch David zieht nicht sein Schwert, um Saul zu töten, sondern um heimlich und lediglich von dessen Mantel ein Stück abzuschneiden. Das Stück Stoff dient David dann, um Saul zu beweisen, dass er sein scharfes Schwert auch für anderes hätte gebrauchen können. (1 Sam 24,5)

Natürlich ist für uns Jesus selbst das Beispiel für Feindesliebe. Jesus, der friedfertig bleibt bis zum Schluss, der einem Verteidigungsversuch seiner Jünger mit dem Schwert im Garten Getsemani Einhalt gebietet. Er erweist sich als Kind seines Vaters im Himmel. Feindesliebe sie wird möglich, wenn ich wie Jesus oder wie Franz Jägerstätter 2000 Jahre später fest daran glaube, dass mein Schicksal nicht in Menschenhand, sondern in den Händen Gottes liegt. Das ist ein frommer Satz, der seine Gültigkeit hat, aber er ist nicht über jeden Zweifel erhaben: Um Gottes Willen! Was, wenn mich das Schicksal Jesu und Franz Jägerstätters einholen würde?! Wärst Du zu solchem Glauben bis hin zur Feindesliebe fähig?!

Gott sein Dank ist hier keine Garantieerklärung von Nöten! Es genügt die innere Beschwichtigung, die Besänftigung meinerselbst: Lass Dein Aufbegehren, ... lass es einfach gelten! Menschen haben das gelebt, ... es geht! Und du hast sogar ein Bild vor Augen, wie diese Menschen- und Gottesfreunde aussehen können. - Amen.


Bild: Franz Jägerstätter, ⓒ Gedenkstätte Deutscher Widerstand

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