Verklärung des Herrn – Den Jüngern geht auf, wer Jesus wirklich ist

Predigt zum Nachlesen von P. Robert Deinhammer SJ, 18. Sonntag im Jahreskreis

Symbol

 

Unser Leben vollzieht sich meist im grauen Alltag. Alles geht wie gewohnt dahin, ein Tag wie der andere, immer das Gleiche, täglich grüßt das Murmeltier: Wiederholung, Routinen, Oberflächlichkeit, irgendwie auch Stillstand. Die Mühlen des Alltags können uns entweder aufreiben oder abstumpfen. Sie können uns krank machen. Und deshalb freuen sich auch so viele Menschen auf den Urlaub, gerade jetzt im Sommer. Ferienzeit. Wenigstens für ein paar Wochen raus aus dem Trott, neue Eindrücke und Erfahrungen, Glücksmomente, freie Zeit, Freiheit von den üblichen Verpflichtungen. Aber sogar in den Ferien will sich oft keine rechte Freude einstellen. Urlaubszeit ist nicht selten Krisenzeit, vielleicht gerade deshalb, weil mir in der freien Zeit deutlich werden kann, dass ich im Grunde mit meinem alltäglichen Leben ganz und gar nicht zufrieden bin, dass ich eigentlich anders leben möchte.
Den grauen Alltag kennen wir nur zu gut. Aber höchstwahrscheinlich kennen wir auch das, was den grauen Alltag sprengt. Außergewöhnliche Erfahrungen, Momente, in denen mir etwas ein für alle Mal aufgeht, in denen ich mich mit allem ganz tief verbunden weiß, Glückserfahrungen, die ich nicht mehr vergessen kann, die mich prägen. Der Anlass kann unterschiedlich sein, aber solche Erfahrungen verändern uns und weisen über den Alltag hinaus: Da ist noch viel mehr, da gibt es eine Tiefe und eine Bedeutung, die mir sonst überhaupt nicht bewusst ist. Abraham Maslow, der Begründer der humanistischen Psychologie, spricht von Gipfelerfahrungen. Und solche Gipfelerfahrungen sind für uns ganz wichtig, auch wenn sie selten vorkommen. Wir leben von solchen Erfahrungen.

Was hat das alles mit der Verklärung des Herrn zu tun? Nun, man könnte sagen, dass im heutigen Evangelium von einer Gipfelerfahrung der Jünger erzählt wird. Das ist zunächst ganz wörtlich zu verstehen. Jesus führt die Jünger auf einen hohen Berg hinauf. Der Berg ist im biblischen Denken ein Symbol der Gottesbegegnung, ein Ort der Offenbarung. Auf dem hohen Berg ist man ausgesetzt und gefährdet, man befindet sich aber auch in der Nähe Gottes, so wie in der Wüste. Man ist weit weg vom Alltag, man ist offen für das Außergewöhnliche. Auf dem Berg Sinai hat Gott sich offenbart und zu Mose gesprochen, ein entscheidender Moment für ganz Israel. Und im Matthäusevangelium wird Jesus als neuer Mose stilisiert.
Den Jüngern wird also auf dem hohen Berg eine Gipfelerfahrung geschenkt. Aber was erfahren sie denn eigentlich? Jesus wird vor ihren Augen verwandelt, er wird verklärt, sein Gesicht leuchtet, wie die Sonne, und seine Kleider werden weiß, wie das Licht. Das sind Bilder, um die Gegenwart des Göttlichen auszudrücken. Den Jüngern geht auf, wer dieser Jesus wirklich ist, was dieser Jesus mit Gott zu tun hat. Gott ist da, Gott zeigt sich, Gott offenbart sich, und zwar in und durch Jesus. Die Jünger machen eine Glaubenserfahrung, sie kommen zum Glauben an Jesus als den Sohn Gottes.

„Das ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen gefunden habe. Auf ihn sollt ihr hören." Wie bei der Taufe Jesu am Jordan offenbart hier der Vater vom Himmel her seinen ewigen Sohn. Jesus ist nicht nur ein vergänglicher Mensch, sondern zugleich der von Ewigkeit her Geliebte des Vaters. Zwischen Jesus und dem Vater gibt es eine einzigartige Beziehung. Und die Bedeutung Jesu besteht für uns darin, dass er anderen Menschen Anteil gibt an ein seiner eigenen Gottesbeziehung. Jesus sagt uns Gottes Wort: Der Vater liebt die Menschen so wie seinen eigenen Sohn, mit einer ewigen und unbedingten und unendlichen Liebe. Im Glauben an dieses Wort Gottes erkennen wir unsere tiefste Wirklichkeit, unsere eigene Verklärung. Wir sind keinen Eintagsfliegen, keine Biomaschinen, keine absurden Wesen, deren unausweichliches Schicksal Tod und Vergeblichkeit ist. Nein, wir sind in Wahrheit von Gott angesprochen. In seinem Sohn verbindet sich der Vater mit uns Menschen in einer Weise, gegen die keine Macht der Welt ankommen kann. Wir haben Gemeinschaft mit Gott, geschehe, was auch immer geschehen mag. In Christus sind wir Kinder Gottes und bekommen Anteil an Gott selbst, an der unbegrenzten Fülle des Seins und aller Vollkommenheit. Etwas Größeres ist gar nicht möglich.
Gott ist gegenwärtig. Kein Wunder, dass die Jünger Angst bekommen und sich fürchten. Wer kann schon vor dem heiligen Gott bestehen? Kein Mensch kann das. Da ist so Vieles in mir, das unheilig und sündhaft ist, so Vieles, das nicht in Ordnung ist. Aber Jesus fasst die Jünger an, er berührt sie. Eine Geste der Zärtlichkeit Gottes. Und er richtet sie auf: Steht auf und fürchtet euch nicht! Eure Unheiligkeit ist von meiner Heiligkeit außer Kraft gesetzt. Weil ihr in mir seid, hat der Vater auch an euch unendliches Wohlgefallen. Ich bin für die Sünder gekommen, für die Kaputten, nicht für die angeblich Gerechten und Gesunden. So können sie aufblicken, ohne Angst. So können auch wir aufblicken und zu Gott treten, ohne Angst, voll Vertrauen. Die Jünger blicken auf und sehen nur noch Jesus. Mose und Elija, die Repräsentanten des Alten Bundes, sind nicht mehr da. Das bedeutet: In Jesus hat sich alles erfüllt, die ganze Verheißung Gottes an Israel ist nun Wirklichkeit geworden. Gott hat sich ein für alle Mal als der offenbart, der er für uns sein will. Er hat sich offenbart als der Vater Jesu Christi und als unser Vater.

Verklärung des Herrn. Eine Gipfelerfahrung der Liebe und Barmherzigkeit Gottes. Nicht nur Jesus wird verklärt, sondern auch wir mit ihm. Einmal wird diese Verklärung vollendet sein, nicht mehr angefochten vom Unglauben, von den Widrigkeiten unseres Lebens, von Leid und Tod und Sinnlosigkeit. Unser Glaube wird dann in Schauen übergehen, und Gott wird alles in allem sein. Bis dahin müssen wir immer wieder absteigen, in die Mühlen des grauen Alltags, in das Gewöhnliche, aber mit der Gewissheit, dass auch im Alltäglichen und im Gewöhnlichen Gott bei uns ist.

 

P. Robert Deinhammer SJ


Foto: Eberhard Grossgasteiger via unsplash.com

 

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