Allerheiligen in einer Barockkirche

Predigt zum Nachlesen von P. Bernhard Heindl SJ

Symbol

Liebe Schwestern und Brüder!

Allerheiligen in einer Barockkirche, als Gottesdienstgemeinde sind wir in einer Barockkirche zuhause. Nicht alle mögen diesen Stil: Er sei überladen, verspielt, kitschig. Zu viel Ablenkung, Zierat und Tand, der nur störe! Die Schlichtheit der Romanik oder der Gotik, puristischere, nüchternere Räume würden mehr zum Stillwerden einladen. Sie lassen leichter zu sich kommen, helfen zur Verinnerlichung, lenken nicht ab, in einer ohnehin reizüberfluteten Zeit. Kurz: Schlichtere Kirchräume helfen, dass ich in mich finde, helfen mir zur Sammlung, zur inneren Einkehr.

Stimmt und zugleich: Ein Barockkirche lenkt gezielt den Blick auf ein Wirklichkeit, ... mit der ich wenig rechne, die im Alltag schnell untergehen kann. Sie lenkt meinen Blick in den Himmel. Das Raumkonzept des Barocks ist: himmlischer Thronsaal, Audienz bei Gott! Meist sind die Decken noch demensprechend ausgemalt, mit dem, was kommen soll, was wir erwarten, erhoffen. Wir sind Frühbarock, das fehlt, bei uns ist es die beeindruckende Lichtkuppel, die den Himmel aufreißt.

Bei aller Sehnsucht, in mich, zu mir finden zu dürfen, der Barock will mir zu einem Überstieg helfen, dazu, dass ich auch über mich hinaus finde! Er will helfen, nicht ganz in dieser Welt aufzugehen, die endgültige Blick-, Zielrichtung nicht aus den Augen zu verlieren.
Gott Raum geben, ist doppelte Sehnsucht: Zu mir und über mich hinaus zu finden. Dass beides lebbar ist, zeigen mir die Heiligen: Sie waren tatkräftig in der Welt wirksam. Unzählige sozial-caritative Werke gehen auf Heilige zurück, aber sie taten das nicht mit erdschwerem, gesenktem Blick, sondern mit offenem Blick, ... nach oben geöffnetem Blick. Sie hatten Weitsicht, über sich hinaus, bis in den Himmel hinein!
Heilige hatten doppelten Durchblick: Sie wussten, was auf Erde geschieht, nötig ist und hatten zugleich Ahnung, wie der Himmel ist! Ich kann es mir nicht anders vorstellen: Heilige lebten mit einer Vision vom Himmel! Sie wussten, was der Himmel für sie ist, haben ihn sich lockend, lohnend ausgemalt.

Heute: Die Erdverbundenheit fehlt uns nicht, ... eher die Himmelsvision! Wir leben in einer Zeit, die den Himmel nicht mehr ausmalt, ausschmückt, täglich vor Augen hat. Der Barock mag vielleicht kein Himmelsmuster mehr sein, ... Wolkenkaskaden, drapierte Gewänder, purzelnde Engelchen. Aber das legt uns ja nicht fest! Die Schrift lädt zum Visionieren ein: Die Lesung aus der Offenbarung malt kapitellang den Himmel aus. Von purzelnden Engelchen ist da nicht die Rede, doch wir waren in einem himmlischen Thronsaal, Hollywood wäre begeistert, das ist ein Monumentalfilm, großes Kino ... oder ignatianisch: mit allen Sinnen!

Ich bin überzeugt, wenn Gott uns für sich bestimmt hat, unsere wirkliche Heimat bei ihm im Himmel ist, was uns das heutige Fest vergewissert, dann tragen wir alle Himmelsvision in uns, dann hat er uns ganz persönliche Sehnsucht nach ihm, der endgültigen Bestimmung in's Herz gelegt!

Frage: Trauen wir uns die ersehnte Zukunft ausmalen, vor uns selbst, vor anderen?
Warum nicht einander befragen: Was ist der Himmel für dich? Das Tabu durchbrochen, zwei Erfahrungen:
1. Als junger Priester habe ich regelmäßig eine sehr alte Frau im Altenheim besucht. Sie lag dort in einem Vier-Bett-Zimmer. Kein himmlischer Ort! Sie wollte sterben und irgendwann sagte ich: „Gell, Frau Vögele, Sie wollen heim in den Himmel? Was ist denn der Himmel für Sie?" Ich erschrack über mich selbst und dachte: Bravo! In Pastoraltheologie nachträglich durchgefallen, was soll die alte Frau in dieser Situation antworten?" Ich war noch ganz mit mir beschäftigt, da machte Frau Vögele große Augen und sagte, jede Silbe betonend, zu mir: „Vor-nehm-heit!" Sie hatte eine Himmelsvision!
2. Oder eine gute Freundin, Mutter von 2 Kindern. Ich: "Was ist der Himmel für Dich?" Sie: „Hm, gute Frage!" Sie zögerte, doch dann malte sie ihren Himmel für mich aus. Ich habe die Freundin über ihren Himmel nochmals besser verstanden, was ihr im Leben wichtig ist, worauf sie ... hin-lebt, ... warum sie wie ihr Leben zu gestalten sucht.

Himmelsvisionen sind wirksam: Eine Vorstellung davon haben, wie alles einmal gut sein kann sein! ... Und daran will ich mich jetzt schon orientieren, danach strebe ich, das will ich jetzt schon, ... so gut es geht, verwirklichen!

Barockkirchen – für mich Erinnerung und Einladung: Dem Himmel nicht nur in mir, ... sondern über mir Raum zu geben; mir den Himmel auszumalen und zum Durchblick der Heiligen zu finden, die die Erde über einen Blick in den Himmel, mit einer Himmelsvision gestalteten!

Die Frage: Was ist der Himmel für dich?, sie lohnt, sie ist nicht müßig und vertane Zeit, weil das ja keiner wissen kann! Wenn wir um unsere Himmelsvisionen wüssten, könnten wir uns das Leben gegenseitig schöner machen. Wir könnten den Himmel füreinander schon ein Stück auf die Erde holen. Ich bin mir sicher, ... die Erde nimmt daran keinen Schaden! Im Gegenteil, es könnte ihr sogar die Ruhepause einräumen, die sie dringend braucht, weil Vieles, was wir dringend zu brauchen meinen, angesichts der Frage, was ist der Himmel für Dich, an Relevanz verlieren, ... relativiert werden könnte!

Die Heiligen sind im Himmel; Allerheiligenfest in einer Barockkirche, jeder Besuch in einer Barockkirche ist für mich die vor Augen gestellte Frage: Was ist der Himmel für dich? - Amen.

 

 


Bild: P. Bernhard Heindl SJ

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